Man merkt, dass Sie viel Erfahrung mit Kindern im Musical haben.
Wir haben sehr viel Routine. Schon „MISS SAIGON“, unser erstes Musical, hatte Kinderrollen. Wir haben ein sehr erfahrenes und professionelles Team, das zum einen die künstlerische Arbeit mit den Kindern macht, vom Gesangs- bis zum Tanzlehrer. Zudem sind auch während der Show Betreuer da, die sich den ganzen Abend um die Kinder kümmern. Wir haben ein kindgerecht eingerichtetes Zimmer, in dem sie betreut werden, wenn sie nicht auf der Bühne stehen.„TINA“ läuft bis zum 22. September und „TARZAN“ bis Mai 2025. Wie erfolgreich sind die Shows?
Sehr erfolgreich. „TARZAN“ haben wir ja erst kürzlich verlängert und auch mit „TINA“ sind wir sehr zufrieden. Viele Leute bekommen jetzt mit, dass die Show nur noch bis September läuft und wollen sich das nicht entgehen lassen.
Disneys Musical TARZAN
Was macht den Reiz von „TINA“ aus?
„TINA“ ist wirklich etwas Besonderes, da es eine authentische Geschichte ist – und Tina Turner war ja selbst an der Entstehung des Musicals beteiligt. Wir zeigen die Geschichte eines musikalischen Genies, das um seine Anerkennung kämpfen musste, als Künstlerin und Frau, als schwarze Frau, die häusliche Gewalt und Verluste erlebt hat und doch am Ende Wahnsinnserfolge feiern konnte und ihr privates Glück gefunden hat. Natürlich wirft das Musical Fragen auf. Ist heute wirklich alles besser oder kämpfen wir nicht immer noch gegen Rassismus? Ich bin unglaublich stolz auf dieses Stück.
Was ist das Besondere bei der Produktion von „TINA“?
Viele Musicals leben von spektakulären Kulissen. Bei „TINA“ ist es reduzierter, da sind eher die Details spannend, wie die Kostüme oder die Mikrofone aus den unterschiedlichen Jahrzehnten. Anders als bei anderen Musicals sitzen die Musiker nicht im Orchestergraben, sondern hinter einem Vorhang auf der Bühne. Während einer Konzertszene geht der Vorhang hoch und die Musiker werden nach vorne gefahren. Das alles ist extrem beeindruckend – die Videoleinwand, die Liveband, und Tina, die mit ihren Ikettes, der ersten Girlgroup, singt und tanzt… Man ist wirklich bei einem Konzert dabei!
TINA – Das Tina Turner Musical
Wann wurde das Stage Theater eröffnet?
Ende 2024 sind es schon 30 Jahre! Miss Saigon war unser erstes Stück. Ich bin gegen Ende unseres ersten Musicals gekommen, vor 27 Jahren, und habe alle Shows miterlebt.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Das ist schwer zu sagen, weil wir täglich neue Herausforderungen und so viele Tätigkeitsfelder haben – und sich die Aufgaben auch entwickeln. Das ist auch das Tolle an diesem Job. Als ich hier anfing, haben wir noch per Fax die Verträge ins Ausland geschickt. Heute sind wir sehr digital unterwegs. Was gleich geblieben ist: Ich fange meist erst nachmittags gegen 14 Uhr an zu arbeiten, weil ich fast immer bis 23 Uhr hier bin. Es gibt Tage, da ist unser Haus richtig voll, weil wir zum Beispiel Ferienworkshops für Kinder haben oder einen Azubi-Tag. Manchmal bin ich auch unterwegs, gestern etwa bei einem tollen Seminar über erste Hilfe bei mentaler Gesundheit, den Tag davor war ich in Hamburg bei Tarifverhandlungen, davor war ich bei einem Diversity- und Inclusion-Seminar...
Das sind ja Themen, die es vor 27 Jahren noch gar nicht gab.
Genau. Was mir noch wichtig ist: Mein Büro hat drei Türen und die stehen eigentlich immer für alle offen. Hier nebenan ist die künstlerische Leitung, dort das Betriebsbüro und dort der Lichthof.
Aber wieso müssen sie bis 23 Uhr dabei sein?
Die Versammlungsstättenverordnung besagt, dass eine Vertretung der Geschäftsführung während der Aufführung vor Ort sein muss. Es könnte ja sein, dass das Gebäude evakuiert werden muss oder andere Entscheidungen getroffen werden müssen, die mit der Verordnung einhergehen. Deswegen sind entweder meine Stellvertreterin oder ich bis zum Ende der Show da – auch am Wochenende.
Wie sieht ein typischer Tagesablauf im Theater aus, wenn eine Show eingespielt ist? Um 23 Uhr ist für alle Schluss?
Ja, dann sind die Dresser und die Maske die einzigen, die noch bleiben. Die bereiten die Kostüme wieder für den nächsten Tag vor, waschen sie, sprühen sie ein, bügeln… Am nächsten Morgen ist meist nur unsere Haustechnik da. Dienstags ist der große Technik-Generalcheck, da werden alle Systeme auf Sicherheit überprüft und festgestellt, ob größere Reparaturen anstehen. In jeder Abteilung haben wir einen Tagesdienst, der hier ist, falls doch Arbeit anliegt. Und natürlich sind Betriebsbüro, Lohnbuchhaltung und Kantine besetzt. Wir haben auch einen kleinen Fitnessraum und Klavierzimmer, die den Künstlern offenstehen. Auch die Kinderabteilung fängt morgens an. Die einzige Zeit, wo hier nichts los ist, ist wahrscheinlich zwischen Mitternacht und Morgen.
Wird es auch wieder Backstage-Führungen geben? Was wird da geboten?
Ja, die machen wir ja seit etwa zehn Jahren. Der Besuch lohnt sich für alle, die sehen wollen, wie ein Theater funktioniert. Das spannendste ist für unsere Gäste ist die Bühne. Wir haben zwei etwa gleich große Bühnen – eine für Aufführungen und eine Probebühne. Man sieht auch, was neben der Bühne passiert, etwa die Requisiten, die in wenigen Sekunden auf die Bühne geschoben werden können – das ist wie beim Reifenwechsel in der Formel Eins. Neben der Bühne sind auch unsere Blackboxen, in denen die Kostüme zum Umkleiden für die einzelnen Szenen bereithängen. Das muss alles schnell gehen, denn eine Ensemblerolle kommt bei „TINA“ in 15 bis 20 Szenen vor.
Abschließend gefragt: Was waren in den 27 Jahren Ihre Lieblingsmusicals?
Mir liegt immer die aktuelle Show am meisten am Herzen, weil da gerade das meiste Herzblut drinsteckt. Es gibt aber viele Produktionen, bei denen mir einzelne Aspekte viel bedeuten. Etwa das Fechten bei den „DREI MUSKETIEREN“. Bei „42ND STREET“ war es die größte Cast Europas und das Steppen. Bei „TANZ DER VAMPIRE“ war es tatsächlich so, dass Roman Polanski sechs Wochen bei uns die Proben geleitet hat. Bei „MISS SAIGON“ war es die spannende Nähe zu Asien. Bei „ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK“ war Udo Jürgens gefühlt jede zweite Woche hier. Und bei „TARZAN“ ist es das Fliegen der Darsteller. Beim „GLÖCKNER VON NOTRE DAME“ hatten wir jeden Abend einen Livechor von 25 Leuten auf der Bühne – und immer andere. Das waren Laienchöre, die wir in ganz Süddeutschland gecastet haben. Dabei haben wir tolle Leute entdeckt, die sich hier eingebracht und auch Schulprojekte mitgebracht haben, die wir auch heute weiterführen. Wir lernen immer dazu, es gibt immer etwas Neues und deswegen ist es so schwierig eine Lieblingsproduktion hervorzuheben.
INTERVIEW: Gunnar Erth